Podiumsdiskussion beleuchtet Hintergründe und Herausforderungen
Wir müssen den Mut haben, die Situation anzusprechen und nicht zu tabuisieren.
Ein Blick auf das Leben einer betroffenen Frau
Augsburg/Aichach-Friedberg. Ein Blick auf das Leben einer betroffenen Frau
Maria S., 48 Jahre alt, lebt in einem kleinen Dorf in Bayern. Jahrelang hat sie sich um ihre Familie gekümmert, nebenbei in Teilzeit gearbeitet und sich um die Pflege ihrer Mutter gekümmert. Die eigenen Bedürfnisse stellte sie zurück, bis sich die Erschöpfung in Depressionen wandelte. Schlaflosigkeit, Angstzustände und das Gefühl, nicht mehr zu genügen, bestimmten ihren Alltag. Der Griff zu Beruhigungsmitteln wurde zur Routine, bis sie merkte, dass sie nicht mehr ohne konnte. Doch als sie Hilfe suchte, stieß sie auf lange Wartezeiten und begrenzte Angebote, die ihre speziellen Bedarfe nicht berücksichtigten.
Aktuelle Angebote und Erkenntnisse zur Frauengesundheit
Die Podiumsdiskussion "Was macht Frauen krank?" im Rahmen der diesjährigen Psychiatrie-Tage für den Landkreis Aichach-Friedberg ging genau diesen Fragen nach. Expertinnen aus verschiedenen Fachbereichen gaben Einblicke in die Ursachen und Auswirkungen psychischer Belastungen bei Frauen. Die Zahlen sprechen für sich: Laut DAK waren im ersten Halbjahr 2024 21 Prozent der versicherten Frauen wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig - deutlich mehr als bei den Männern (14,5 Prozent). Auch die Zahl der Frauen, die unter häuslicher Gewalt leiden, ist weiterhin alarmierend hoch, und die Versorgung mit Frauenhausplätzen bleibt unzureichend.
Die Veranstaltung fand in der Tagesstätte für psychische Gesundheit in Mering statt. Auf dem Podium diskutierten u. a. Polizeioberkommissarin Judith Marschall, die aus ihrer Erfahrung mit Opfern häuslicher Gewalt berichtete, sowie Dr. Stephanie Linder, die als Leiterin des AWO Zentrums für Aidsarbeit Schwaben die gesundheitlichen Folgen von sozialer Benachteiligung beleuchtete. Dr. med. Friederike Rahlf-Martin, Psychiaterin und Suchtmedizinerin, erklärte die Mechanismen von Suchtverhalten bei Frauen. Sozialpädagogin Marta Budna-Lamla, Suchttherapeutin bei der Caritas, brachte ihre langjährige Erfahrung mit betroffenen Frauen ein. Moderiert wurde die Diskussion von Monika Heitzinger-Furchner, ehemalige Leiterin der Suchtfachambulanz Aichach.
Monika Heitzinger-Furchner, bis vor drei Jahren Leiterin der Caritas-Suchtfachambulanz in Aichach und Mitglied im Vorstand des Vereins "Erkennen und Verstehen e.V.", der die Psychiatrie-Tage veranstaltet, wies in der Diskussion auf grundlegende geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Diagnostik hin: "Während man bei Frauen viel schneller psychosomatische Ursachen für ein Krankheitssymptom annimmt, wird bei Männern viel länger nach körperlichen Ursachen gesucht." Sie kritisierte die bestehende gesundheitliche Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Mit einem sarkastischen Blick auf die Geschlechterrollen sagte sie: "Kranke Männer werden von ihren Frauen gepflegt. Kranke Frauen werden von ihren Männern verlassen." Und weiter: "Wenn der Mann krank ist, packt die Frau die Koffer, wenn die Frau krank ist, tut sie es selber."
Die Haltung der Caritas: Warum gezielte Angebote für Frauen nötig sind
Die Caritas sieht einen dringenden Handlungsbedarf: Frauen sind oft mehrfach belastet - durch unbezahlte Care-Arbeit, gesellschaftliche Rollenerwartungen und mangelnde Unterstützungssysteme. Besonders besorgniserregend ist die hohe Medikamentenabhängigkeit bei Frauen: Sie nehmen laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen fast doppelt so häufig Beruhigungsmittel ein wie Männer.
Dr. Stephanie Linder, Psychologin und Leiterin des AWO Zentrums für Aidsarbeit Schwaben, sagte dazu: "Obwohl Frauen und Männer sich unterscheiden, spiegelt sich das nicht in der Versorgung und Forschung wider." Sie verwies auf die Ungleichheit in der medizinischen Forschung, die überwiegend mit männlichen Versuchstieren und Probanden durchgeführt wird: "Die Folge: 700 Erkrankungen werden bei Frauen bis zu zweieinhalb Jahre später diagnostiziert als bei Männern." Dr. Linder hob zudem die Mehrfachbelastungen durch Care-Arbeit und berufliche Tätigkeiten hervor und unterstrich, dass Frauen stärker von Gewalt - insbesondere sexueller Gewalt - betroffen sind. Gleichzeitig forderte sie mehr Eigeninitiative von Frauen: "Frauen sollten sich viel öfter fragen, was sie selbst tun können, um gesund zu leben."
Marta Budna-Lamla, Suchttherapeutin und Leiterin der Caritas-Suchtfachambulanz Aichach und Schwabmünchen, betonte: "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Widerspruch in sich." Sie berichtete von Frauen, die unter der Last der Anforderungen an Familie, Beruf und Partnerschaft zu Alkohol oder Beruhigungsmitteln greifen: "Frauen, die zu mir in die Beratung kommen, leben nicht in Balance. Deshalb müssen wir die Abhängigkeiten in ihren Abhängigkeiten anschauen." Diese Abhängigkeiten seien oft geprägt durch Überlastungen, familiäre Hintergründe und die Sozialisationsprozesse, die Frauen schon früh prägen. Sie ergänzte: "Viele Männer können nicht helfen, weil sie selbst Hilfe benötigen. Das ist für Frauen fatal. Frauen bräuchten jemanden an ihrer Seite, um stabil und gesund werden zu können."
Dr. Linder wies zudem auf die gesellschaftliche Stigmatisierung hin, die Frauen in Krisensituationen erleben: "Ablehnung macht etwas mit dir." Budna-Lamla fügte hinzu: "Alle gesellschaftlichen Veränderungen und Belastungen betreffen auch Frauen. Aber für Frauen, die ohnehin überlastet sind, bedeuten sie weitere zusätzliche Belastungen. Alles landet immer auf dem Teppich der Frau." Sie forderte, dass die besonderen Bedürfnisse von Frauen stärker berücksichtigt werden: "Wir brauchen mehr Verständnis dafür, was die Frau benötigt, welche Bedürfnisse sie hat und was sie danach braucht."
Forderungen an die Politik: Mehr Schutz und bessere Versorgung
Die Caritas fordert dringend:
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Mehr Frauenhausplätze: Aktuell fehlen rund 14.000 Plätze in Deutschland. Frauen in akuten Notlagen müssen sofort Schutz erhalten.
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Kostenfreie und schnellere Zugänge zu psychologischer Betreuung: Psychische Erkrankungen müssen frühzeitig behandelt werden, bevor sie chronisch werden.
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Spezifische Suchthilfe für Frauen: Geschlechtergerechte Konzepte in der Suchttherapie sind essenziell, um Frauen besser zu unterstützen.
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Flexiblere Arbeitszeitmodelle und bessere Kinderbetreuung: Arbeitgeber müssen Frauen entlasten, damit diese nicht zwischen Familie und Beruf zerrieben werden.
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Präventive Bildungsarbeit: Geschlechterrollen und deren gesundheitliche Folgen sollten bereits in der Schule thematisiert werden.
Das neue Gewalthilfegesetz, das betroffenen Frauen einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung gewährt, wurde von den Diskussionsteilnehmerinnen als erster wichtiger Schritt begrüßt. Doch um die Gesundheit von Frauen nachhaltig zu verbessern, braucht es ein gesamtgesellschaftliches Umdenken. Dr. Linder fasste zusammen: "Wir als Gesellschaft wollen gesund sein. Deshalb müssen wir diese Frauenthemen ansprechen und uns dafür einsetzen." Budna-Lamla ergänzte: "Wir müssen den Mut haben, die Situation anzusprechen und nicht zu tabuisieren."
Die Rolle der Caritas in der Diözese Augsburg
Die Caritas in der Diözese Augsburg setzt sich seit vielen Jahren für die gesundheitliche, soziale und psychische Unterstützung von Frauen ein. Als einer der zentralen Wohlfahrtsverbände bietet sie ein breites Netz an Beratungs- und Hilfsangeboten, das von Suchtberatung über psychosoziale Betreuung bis hin zu spezialisierter Hilfe für Frauen in Not reicht.
Angebote der Caritas für Frauen
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Suchtberatung: Frauen, die von Abhängigkeit betroffen oder gefährdet sind, finden in der Caritas-Suchtfachambulanz geschützte Räume für Gespräche, Beratung und Gruppentreffen.
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Sozialpsychiatrischer Dienst: Dieser bietet Frauen mit psychischen Belastungen Unterstützung und Begleitung, um Stabilität und Perspektiven zu entwickeln.
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Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt: In Zusammenarbeit mit Frauenhäusern und spezialisierten Beratungsstellen hilft die Caritas Frauen, die Schutz und eine neue Perspektive suchen.
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Unterstützung für pflegende Frauen: Angebote zur Entlastung von Frauen, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern, um ihre eigene Gesundheit zu bewahren.
Durch diese vielfältigen Angebote leistet die Caritas einen unverzichtbaren Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen und sozialen Situation von Frauen. Doch um diesen Herausforderungen weiterhin wirksam begegnen zu können, braucht es nachhaltige politische und gesellschaftliche Unterstützung.
Kontakt:
Suchtfachambulanz AichachCaritasverband für die Diözese Augsburg e.V.
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86551 AichachTel: +49 8251 8864280
suchtfachambulanz.aichach@caritas-augsburg.de
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Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V.
Auf dem Kreuz 47
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Tel: +49 821 3156-432
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